Im Magazin der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ erscheint ein längerer Beitrag

Von Christoph Wartenberg (Schwäbische Zeitung, Freitag, 10.11.2017, 17) 

SIGMARINGEN - Ein Reporter der renommierten französischen Tageszeitung „Le Figaro“ hat zusammen mit einem freien Fotografen eine Woche in Sigmaringen verbracht, um für eine Reportage über die Verbindungen Hohenzollerns mit Frankreich zu recherchieren. Den Kern bildet dabei zwar die Episode der Vichy-Regierung auf dem Sigmaringer Schloss, aber auch frühere Ereignisse und die Gegenwart werden in diese Reportage einfließen.

Geplant ist ein acht- bis zehnseitiger Beitrag in der Magazinbeilage des „Figaro“, der voraussichtlich gegen Ende des Jahres erscheinen soll. Ausgangspunkt war die mit fiktiven Szenen angereicherte Dokumentation von Serge Moati auf Arte, die unter dem Titel „Sigmaringen Hauptstadt Frankreichs“ (im französischen Original „Sigmaringen, Le dernier refuge“, der letzte Fluchtort) im August auch im deutschen Fernsehen gelaufen ist.

Jean-Louis Tremblais, Reporter des „Figaro“ verweist darauf, das die Dokumentation in Frankreich „très bien marché“ war, also sehr gute Einschaltquoten hatte, und man daran anknüpfend nun die Thematik Hohenzollern – Frankreich etwas breiter darstellen wollte.

Tremblais soll diese Reportage schreiben, da er Deutsch spricht und sich in der Geschichte auskennt. Zusammen mit dem freien Fotografen Christophe Lepetit hat er sich auf Spurensuche begeben. „Wir wollten das nicht auf die Vichy-Episode beschränken, weil diese acht Monate im Weltmaßstab ja geradezu nichts sind“, sagt Tremblais.

Sigmaringen als Hauptstadt Frankreichs, das sei ja gewissermaßen barock, eine skurrile Operette gewesen. Daher bilden diese Monate nur den roten Faden, von dem aus Themen wie Amalie-Zephyrine und Joséfine Beauharnais, die preußischen Hohenzollern oder auch die heutigen Zollern-Werke mit ihren 3000 Beschäftigten behandelt werden. „Der ,Figaro’ ist ja schließlich kein reines Geschichtsmagazin“, sagt Tremblais.

Außergewöhnliche Dokumente aus Archiven studiert

Der freie Fotograf Christophe Lepetit und Reporter Jean-Louis studieren die Lokalausgabe der „Schwäbischen Zeitung“.
Der freie Fotograf Christophe Lepetit und Reporter Jean-Louis studieren die Lokalausgabe der „Schwäbischen Zeitung“. FOTO: CHRISTOPH WARTENBERG

„Wir haben hier großzügigen Zugang zu außergewöhnlichen Dokumenten erhalten“, erzählt Tremblais, so zum Beispiel den originalen Exemplaren der Zeitung „La France“, die von der Vichy-Regierung in Sigmaringen herausgegeben wurde und von der es weltweit nur drei komplette Sammlungen gib. Diese sind alle in Deutschland. Der ehemalige stellvertretende Chef des Staatsarchivs, Otto Becker, hat davon eine Mikroverfilmung an das französische Staatsarchiv geschickt. Im Schloss konnte der Reporter in der Bibliothek die Nachweise einsehen, welche Bücher die Mitglieder der Vichy- Leute, darunter der Schriftstellen Céline, ausgeliehen hatten. Aus dem Sigmaringer Archiv der „Schwäbischen Zeitung“ konnte Tremblais einen Blick in die Lokalausgaben des Jahres 1944 werfen. Dabei stellte er mit Verwunderung fest, dass der Aufenthalt der Vichy-Regierung in der Sigmaringer Zeitung nicht vorkommt, wohl um angesichts des vermeintlichen unüberwindlichen Widerstands an der Westfront nicht das Gesicht zu verlieren.

Interessant war für die Besucher der Figaro-Redaktion auch der Kontakt mit Zeitzeugen wie Heinz Gauggel oder August Dannegger. „Diese Männer waren ja damals noch Jungen und nun werden es immer weniger, die noch aus eigener Erfahrung berichten können“, sagt Jean-Louis Tremblais. Auch mit dem Fürsten hat Tremblais gesprochen. „Er hat uns viele Räume geöffnet, in die man sonst nicht kommt, zum Beispiel die Räume in denen Pétain gewohnt hat“, erzählt er. Nachdem man in Frankreich wie in Deutschland Jahrzehnte versucht habe, gewisse Aspekte der Vergangenheit auszuradieren, sei man nun bereit darüber zu sprechen. So erkläre sich auch das Interesse an Vichy in Frankreich.