Die deutsch-französische Geschichte wird an ihren wichtigsten Plätzen in Sigmaringen erfahrbar

Von Christoph Wartenberg (Schwäbische Zeitung, Dienstag, 5.12.2017, 15)

SIGMARINGEN - Zwischen Sigmaringen und Frankreich gibt es seit der napoleonischen Zeit etliche Verbindungslinien. Diese Gemeinsamkeiten möchte Professor Clemens Klünemann vom Institut für Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg mit einem touristischen Projekt verdeutlichen, indem in und um Sigmaringen Erinnerungsorte markiert und für Besucher erfahrbar gemacht werden. Gedacht ist an ein Informationssystem, das sich auf QR-Codes stützt.

Klünemann hat sich in einem Brief an die Stadtverwaltung gewandt und sein Projekt vorgestellt. „Ich habe in den beiden vergangenen Semestern ein Projektseminar geleitet, in dem es um die Frage ging, wie Sigmaringen als deutsch-französischer Erinnerungsort – genauer: als Erinnerungsort der deutsch-französischen Beziehungen – sichtbar gemacht werden kann“, heißt es in diesem Schreiben. Dabei geht es Klünemann auch darum, aufzuzeigen, dass das Verhältnis weit über die Operettenepisode der Vichy-Regierung in Sigmaringen hinausgeht.

Klünemann erinnert an den Einsatz der Fürstin Amalie-Zephyrine für den Erhalt der hohenzollerischen Fürstentümer als souveräne Herrschaften im Zusammenhang mit der europäisch-deutschen Neuordnung durch Napoleon, verweist aber auch auf den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71 nach den Querelen um die spanische Thronfolge, bei denen Leopold von Hohenzollern Sigmaringen als Thronprä- tendent im Gespräch war. Mit der Emser Depesche provozierte Bismarck dann die Franzosen zur Kriegserklärung.

In der Folge gab es noch zwei weitere Kriege zwischen Deutschland und Frankreich, in denen die Hohenzollern auch eine wichtige Rolle spielten. Der Einmarsch 1945 und die Besetzung durch französische Truppen bilden den Abschluss dieser Kriege. Die Stadt unterhält heute freundschaftliche Beziehungen zur Gemeinde Thann im Elsass, die 1870 im Zuge des Krieges unter deutsche Herrschaft kam.

„Wir wollen mit diesem Parcours der Erinnerungsorte aber keinesfalls rechte Nostalgiker zu einem Rundgang motivieren“, betont Klünemann. Sigmaringen sei ein Mikrokosmos wichtiger Ereignisse in der Geschichte Deutschlands und Frankreichs. Insofern stelle die Vichy-Zeit nur einen gewissen Schlusspunkt der Auseinandersetzungen dar.

Grundlage ist ein studentisches Seminarprojekt

Im vergangenen Jahr hatte Klünemann mit seinen Projekt auf eine Idee des französischen Historikers Pierre Nora zurückgegriffen, der verschiedene solcher Erinnerungsorte beschrieben hatte. Die Studenten sollten einen Themenparcours erarbeiten, der dann für Touristen, besonders deutsche und französische, einen kommentierten Rundgang zu historischen Gebäuden und Orten anbieten könnte. Die Kommentare würden über einen QR-Code auf das Smartphone gesendet oder über einen Audioguide abgespielt werden. Auf einem Smartphone wären dann auch visuelle Beiträge möglich. Zur Erstellung der Texte haben sich SZMitarbeiterin Gabriele Loges und der Fachmann für die Vichy-Zeit, der ehemalige stellvertretende Leiter des Staatsarchivs, Otto Becker bereit erklärt.

Eine Hamburger Firma könnte die technische Umsetzung übernehmen. Dabei würde ein Stadtplan mit den entsprechenden QR-Codes erstellt und Texte sowie Visualisierungen zusammengestellt. Die Kosten für das Projekt sollen sich auf rund 1500 Euro belaufen. Die Stadtwerke haben sich bereit erklärt, eine Anschubfinanzierung von 250 Euro zu übernehmen. Katja Ungern-Sternberg, die Leiterin des städtischen Tourismus- und Stadtmarketings, befürwortet einen solchen technisch geführten Rundgang ebenfalls und sagt: „Die Stadt Sigmaringen sieht die Aufarbeitung des Themas als geschichtlich bedeutend an. Daher beteiligen wir uns gerne mit einem finanziellen Beitrag in Höhe von 500 Euro und sind froh, dass sich eine Gruppe geschichtlicher Experten des Themas annimmt.“ Somit ist die Hälfte der vermutlichen Kosten bereits gedeckt. Weitere Sponsoren wären willkommen.

Otto Becker (Dritter von links) erläutert Studenten und ihrem Professor die Geschichte der Vichy-Regierung in Sigmaringen.

Wer das Projekt finanziell unterstützen möchte, wendet sich bitte an die Tourist-Info Sigmaringen, Leopoldplatz 4, 72488 Sigmaringen, Telefon 07571/ 10 62 24, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!