4 Staatsarchiv

Das Palais ist in mehreren Bauphasen im Zeitraum von 1822-1921 entstanden. Es besteht aus zwei Baukörpern, dem Alten Prinzenbau (Karlstraße 1) und dem Neuen Prinzenbau (Karlstraße 3), die durch einen Zwischentrakt miteinander verbunden sind. Den Kern des Alten Prinzenbaus bildet das „Schlössle“ der Fürstin Amalie Zephyrine, die 1841 darin auch gestorben ist. Dieses Gebäude wurde zusammen mit dem 1842/47 erbauten Neuen Prinzenbau von Karl Anton (1811-1885) und Leopold (1835-1905) als erbprinzliche Hofhaltung genutzt.

Das ehemals hochherrschaftliche Gebäude am Leopoldplatz in Sigmaringen bot nach Kriegsende und der kurzzeitigen Nutzung durch die marokkanische Wachkompanie der im Sigmaringer Schloss residierenden Kommandeure der französischen Besatzungsmacht ein trostloses Bild, wie es der Schreinermeister Eduard Gauggel in einem Brief vom 12. August 1947 berichtet. Bis 1953 befand sich auch weiterhin die Klausur der Schwestern der christlichen Liebe im Obergeschoss des Neuen Prinzenbaus. Bis zu ihrem Lebensende 1958 residierte die Fürstinwitwe Adelgunde von Hohenzollern mit ihrem Gefolge im ersten Stock des Alten Prinzenbaus.

Dass der Prinzenbau Sitz der französischen Verwaltung geworden war, blieb auch den Einheimischen nicht verborgen. So berichtete die in der Karlstraße 5 wohnhafte Lehrerin Klara Steidle in ihrer Chronik, dass in zwei Stockwerken des Palais französische Ministerien eingezogen waren. Auch nach außen erhielt der Gebäudekomplex ein besonderes Gepräge. So notierte Maximilian Schaitel zum 29. November 1944 in sein Tagebuch: „Vor dem Prinzenbau, in dessen oberen Teilen die alte Fürstin Adelgunde mit ihrem kleinen Hofstaate noch lebt, steht eine französischen Wache und das Haus darf nur mit Ausweis betreten werden.“ Über dem Palais soll ebenfalls die Trikolore geweht haben. Wie das Schloss war auch der Prinzenbau exterritorial.

Das Verhältnis zwischen der Fürstlichen Hofverwaltung als Vermieter und dem Mieter, der französischen Regierungskommission, gestaltete sich, wie wir einer recht umfangreichen Korrespondenz entnehmen können, alles andere als reibungslos. Bereits in einer Eingabe an die Deutsche Botschaft vom 1. Dezember 1944 wies Hofintendant Meichßner auf die unmöglichen Verhältnisse im Prinzenbau hin. Darin heißt es u.a.: „Die … angemieteten Räume sind in einem unhaltbaren Zustand, eine Reinigung findet scheinbar überhaupt nicht statt. Die Fußböden sind derart verdorben, dass die Instandsetzung bei längerer Verwahrlosung überhaupt nicht mehr möglich ist. Auf der Balustrade vor dem Gartensaal, wie auch in den Räumen wird Holz zerkleinert, Asche und Glutreste liegen vor den Öfen …“

Die Beschlagnahme von Räumen im Prinzenbau erfolgte offiziell durch Anordnung der Deutschen Botschaft vom 23. Oktober 1944 an die Fürstlich Hohenzollernsche Hofverwaltung. Darin heißt es: „Die Französische Regierung in Vichy, zurzeit in Sigmaringen, nimmt auf Grund des Reichsleistungsgesetzes vom 1.9.1939 – RGBL. I S. 1645 - in ihrem Prinzenbau in Sigmaringen, Karlstr. Nr. 1 und drei, für Unterkunftszwecke in Anspruch.

I. seit dem 28. September 1944 im Gebäudeteil Karlsraße 1: alle im Erdgeschoss südöstlich des Hauseingangs Nr. 1 und seines Treppenhauses gelegenen Räume,

II. seit dem 9. September 1944 im Gebäudeteil Karlstraße 3: im Erdgeschoss (von der Straße aus gesehen) alle Räume, im I. Stock: alle südöstlich der früheren Hauskapelle gelegenen Räume.

Die Beschlagnahme der Räume im Prinzenbau durch die Deutsche Botschaft, die nach dem Reichsleistungsgesetz erfolgte, wie wir einem Bericht des Sigmaringer Landrats vom 27. November 1944 entnehmen können, ausdrücklich mit Zustimmung des Regierungspräsidenten von Sigmaringen und des Gauleiters von Württemberg und Hohenzollern in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar.

In der Endphase des Krieges bot das ehemalige Fürstenpalais somit ein recht buntes Bild. Der Neue Prinzenbau wurde, in Stockwerke getrennt, von der französischen Regierung und von den Schwestern der christlichen Liebe genutzt. Den Alten Prinzenbau teilten sich die Fürstinwitwe Adelgunde von Hohenzollern und ihr Gefolge mit der französischen Regierungskommission.

Otto H. Becker